Heidegger und Co.

Wir schreiben das Jahr 2019, bin zu diesem Zeitpunkt 54 Jahre alt. Ich sitze am Ufer des Rheins in Bad Godesberg wenige Kilometer südlich von Bonn und blicke auf den Petersberg und Königswinter hinüber.

Hier schlug das Herz der Republik, viele Verbände und Lobbyisten haben hier heute noch ihren Sitz, repräsentative Villen prägen das Stadtbild. Im Stadtpark Bonns sind große auffällige Schilder aufgestellt. Wegwerfen einer Zigarettenkippe 25 Euro Strafe, Limodose 40 Euro, Müllansammlung 100 Euro. Da fühlt man sich wie ein Sünder, obwohl man nichts weggeworfen hat. Der Rasen sieht aus wie ein Teppich. In dieser Stadt weht der Wind der Autorität und Strenge.  In Singapur kostet sogar ein ausgespuckter Kaugummi 300 Euro. Ist das noch Ordnung oder schon Faschismus.

Mein Opa war Zugführer und hatte während der Pension einen Freifahrtschein für vier Fahrten innerhalb Deutschlands. 

Er hat mir 1977 eine Karte geschrieben, die ich ganz besonders mochte. Sie zeigt das Siebengebirge auf der gegenüberliegenden Rheinseite von Bad Godesberg. Die Gipfel sind nur auf 350 Meter Meereshöhe, dennoch wirken sie imposant. Die Karte ist nunmehr 42 Jahre alte, in weiteren 42 weitern Jahren werde ich höchstwahrscheinlich nicht mehr Dasein.

Heidegger hat übrigens den Begriff „Da Sein“ in seinem Werk Sein und Zeit geprägt, den die französischen Existenzialisten mit „Existence“ übersetzt hat. Sie betonen das Hineingeworfen sein in die Welt. Wir werden nicht gefragt, ob und wie wir leben möchten.

Die Lehre vom Sein nennen die Philosophen übrigens Ontologie. Man unterscheidet das Sein an sich, das was unabhängig vom Bewusstsein existiert und das Sein für sich, das was zu uns einen persönlichen Bezug hat, was unser Bewusstsein nach Sartre ausmacht.

Heidegger hat gesagt, die Angst sei das vornehmste Gefühl, das schmeichelt mir, weil ich unter vielen Phobien leide, ich empfinde die Angst als ein sehr unangenehmes Gefühl. Die Todesangst ist dabei noch viel schlimmer als die Versagensangst. Wer da ist, hat Angst vor dem nicht Dasein.

Heidegger hat daneben auch den Begriff Seinsvergessenheit geprägt. Seinsvergessenheit bedeutet vereinfacht ausgedrückt nicht nach dem Sinn des Seins zu fragen.

Heidegger war absolut nicht seinsvergessen, für mich eher seinsbesessen. Wenn man abgelegen in Todtnau Berg im Schwarzwald, wo der Tod schon im Ortsnamen enthalten ist, wohnt und arbeitet, ist es naheliegend über das ein Nichtsein nachzudenken, vor allem wenn man kein Talent zum Kuckucksuhren bauen oder Kirschtorte backen hat. Kuckucksuhr und Torte stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander.

Kirschtorte beflügelt die Seinsvergessenheit und die Kucksuhr weckt uns regelmäßig wieder auf und erinnert an die Vergänglichkeit der Zeit.  

Seinsvergessenheit ist auch nicht mein Ding, ich wandle heute auf den Spuren des großen Martin Heidegger. Ich beschäftige mich mehr mit dem Da Sein als mit dem Seienden. Ich bin eher Seinsbesessen.

 Seiendes kann auch die Gesamtheit des Existierenden, also „die ganze Welt“, bezeichnen, solange dies räumlich und zeitlich bestimmbar ist. Sein ist hingegen das unveränderliche, zeitlose, umfassende Wesen (griechisch ousia, lateinisch essentia) sowohl einzelner Gegenstände als auch der Welt als Ganzes.

Was wäre, wenn Heidegger mein Opa gewesen wäre. Ich wäre jedenfalls gerne in der Sendung; Ich trage einen großen Namen aufgetreten.  

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