Man sagt 90 Prozent der Kommunikation funktioniert über die Körpersprache, beim Philologen ist das aber umgekehrt, nicht umsonst heißt er ja Philologe, er liebt das Wort, alles Körperliche ist ihm suspekt, weil tierisch und primitiv.
Literaturwissenschaftler ordnen bekanntlich jeden Text in eine bestimmte Epoche ein, sagt jemand: „Ich liebe dich“, denkt der Philologe als erstes: „Ist das jetzt Romantik oder Realismus?“ Der Nichtphilologe blickt einfach in die Augen des Gegenübers und zieht daraus seine Schlüsse.
Erst wenn im Kontext zum Beispiel ein 5er BMW, ein Reihenhaus oder ein Bachelorabschluss vorkommt, ist es für den Literaturwissenschaftler Realismus. Wenn im Kontext ein selbst gepflückter Blumenstrauß und Herzklopfen vorkommt, dann ist es Romantik.
Hat jemand wegen intensivem Alkoholkonsum eine schwere Zunge, tippt der Philologe als erstes auf Dadaismus, für den Normalbürger ist das Gegenüber einfach betrunken.
Versteht ein Philologe einen Satz nicht, was selten vorkommt, gibt er das niemals dazu, er spricht dann von Abstraktion, Symbolismus oder Surrealismus.
Versteht der Sprachwissenschaftler einen Satz nicht, ist er froh, wenn ihm dazu ein entfernt passendes Zitat von Kafka oder Grass einfällt. Der Nichtphilologe schüttelt einfach den Kopf und die Kommunikation vereinfacht sich beträchtlich.
Besonderen Fokus richtet der Philologe auf Stilmittel.
Er ist stolz, dass er den Begriff Anapher kennt und sagt: „Ich koche innerlich. Ich bin wütend“, was bei Wikipedia als Beispiel für eine Anapher steht.
Der nicht philologisch Gebildete ballt nur die Faust und sagt: „Saumensch oder Drecksau!“
Trifft man einen 36jährigen Großvater, lächelt der gewöhnliche Mensch und sagt: „Junger Opa!“
Der Philologe antwortet darauf: „Du verwendest gerade ein Oxymoron!“