noch eine Buchkritik

 

Oblomov

 

Oblomoverei ist in Russland ein geflügeltes Wort, es steht für Träumerei, Faulheit und mangelnde Tatkraft, jedoch auch für Sensibilität und Eigenwilligkeit.

Wo bleibt der Mensch? Wo bleiben die Gefühle? Diese Frage stellt sich Oblomov angesichts der Betriebsamkeit und des Trubels in seiner Umgebung. Er ist alles andere als zielstrebig, ganz  im Gegensatz zu seinem Freund Andrei Stolz, der russisch deutscher Abstammung ist.

Oblomov ist Träumer. „Ist die Phantasie Freund oder Feind?“ so fragt sich Oblomov zu Anfang des zweiten Teiles. Sie ist der Feind, wenn es darum geht, reale Ziele zu erreichen, dennoch beschert sie ihm Momente des Glücks, sofern er sich zurückzieht und auf die innere Stimme der Seele hört.

Oblomov mag den Vergleich mit anderen Menschen nicht, er ist nicht so wie die anderen und deshalb haßt er diesen Vergleich außerordentlich.

Das Seelenleben, das Introvertierte und Gefühlsbetonte wird zum Hauptgegenstand wie so oft in der russischen Literatur.  Der Partymensch, der pflichtbewusste Beamte und der fleißige Redakteur, alle bleiben Oblomov fremd. Aber woher kommt seine Trägheit? Die Faulheit und Lethargie gehören einfach zu seinem Wesen. Tiefe Menschlichkeit bescheinigt Stolz seinem Freund jedoch, gerade weil er frei von Machtbesessenheit bleibt.

Tarantjew, der Betrüger und Schmarotzer wirbt um die Freundschaft Oblomovs und zieht ihm das Geld mit allen möglichen Tricks aus der Tasche. Er ist das Beispiel des korrupten, bestechlichen Russen.

Oblomov lernt die junge, ebenfalls sehr sensible Olga, deren Mutter gestorben ist kennen. Sie wurde von ihrer Tante aufgezogen. Der zweite und dritte Teil beschäftigt sich mit dieser Liebe.

Die Liebe Oblomovs zu Olja bleibt mir unverständlich, sie ist in gewissem Sinne sogar selbstlos. Vielleicht zeigt sich gerade in dieser Haltung die Größe Oblomovs. Liebt Oblomov selbstlos? Er vergönnt Olga jedenfalls einen „besseren“ Mann. Über die Liebe, ihre Formen und Ausprägungen erfahren wir viel.

Ist es der Mutterinstinkt, die Olja den schwachen Oblomov lieben läßt.

Oblomov wird in der Kindheit verzärtelt. Ist dies der Grund für sein Wesen?

Andrei Stolz darf in seiner Kindheit ohne, daß der Vater besorgt ist, die Umgebung erkunden, später als Student soll er Westeuropa besuchen.

Insgesamt ist es ein sehr trauriger Roman, Oblomov kann dieser Traurigkeit mit Gelassenheit begegnen. Olga ist ein sehr sensibler Mensch. Sie ist traurig, gerade weil es ihr so gut geht, weil sie in Andrei Stolz einen besorgten und liebevollen Ehemann gefunden hat.

„Die Hände der Deutschen sind grob und rot?“, sagt Oblomov vor über 100 Jahren

Stimmt das?

Gontscharov benutzt eine elegante künstlerische Sprache, mit vielen Parataxen. Bei mir stellte sich beim Lesen oft die Oblomovsche Stimmung ein. Es ist kein sonderlich spannendes Buch, melancholische Menschen jedoch werden einen Teil ihrer Seele beim Lesen wiederfinden.

Zitat Olga: Wenn Sie sterben würde, würde ich ewig nach Ihnen Trauer tragen, würde ich ewig nach Ihnen Trauer tragen und würde nie im Leben wieder lächeln. Wenn Sie eine andere haben würde ich nicht murren, sondern werde Ihnen im Stillen Glück wünschen. Für mich ist die Liebe, das selbe wie das Leben.

Das Leben ist eine Pflicht, folglich ist auch die Liebe eine Pflicht. Die Langeweile, die quälende Langeweile kann Gonscharov bestens darstellen.

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